Streitfragen

Schlechtleistung bei SEO-Verträge und Google Ads Marketing

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Wir erhalten seit ca. 12 Monaten zunehmend mehr Streitfälle im Bereich Online-Marketing Dienstleistungen, die wir gerichtlich und aussergerichtlich betreuen. Dabei ist die Schilderung der Auftraggeber und auch der Inhalt der Verträge sowie das Ergebnis häufig deckungsgleich. Gerne berichte ich hier einmal zusammenfassend aus der Praxis.

Ich bewerte als Sachverständiger in regelmässigen zeitlichen Abständen den Inhalt meiner Beratungen und Gutachten, die wir hier regelmässig bearbeiten. Dabei fällt auf, dass die Streitfälle mit Online-Marketing-Bezug massiv angestiegen sind und der Dienstleister, dem hier meistens Schlechtleistung unterstellt wird, überwiegend reine mittlere bis grosse spezialisierte Online-Marketing-Agenturen sind. Reine technische SEO-Dienstleister sind bei diesen Fällen eher nicht dabei. Dort scheinen die Kunden also überwiegend zufrieden zu sein.

Die geschilderten Abläufe des ersten Kontakts zwischen Agentur und Kunden ähneln sich dabei sehr. Die Herangehensweise der Marketing-Agenturen ist nahezu identisch inkl. der Unterlagen, die dem Kunden zum Vertragsschluss vorgelegt werden. 

Die Intention des Kunden - meistens ein Online-Shop-Betreiber - ist, dass dieser unzufrieden mit seinen Rankings bei Google ist und auch mehr Umsatz durch Werbung machen möchte.

SEO-Konzepte als Argument

Dem Kunden wird zum Vertragsschluss ein schönes bebildertes Dokument vorgelegt, in dem aufwendige Phasenmodelle zur Suchmaschinenoptimierung mit Analysen, Kontrollen, Umsetzungen und vieles mehr vorgestellt wird. Erfolg wird dabei nicht versprochen. 

Aufwendige Texte sollen erstellt werden, massive OnSite-Optimierungen sollen durchgeführt werden. Backlinkanalysen und Keyword-Überwachungen sollen erfolgen.

Dazu werden häufig noch Nebenleistungen, wie die Erstellung von Google Unternehmensprofilen angeboten.

Das Konzept sieht fast wissenschaftlich begründet aus und wurde grafisch ausserhalb einer üblichen Angebotsschreibung generiert. Die vertraglich vereinbarte Summe ist oft ein Betrag, den der Auftraggeber auch monatlich leisten kann, Laufzeiten in den Verträgen von 12 - 24 Monaten sind üblich. Die geleistete Arbeit wird pauschaliert ohne weitere Beschreibung mit simplen Rechnungen abgerechnet. Oft ist eine hohe Anzahlung notwendig.

Aufwachen nach 10 Ratenzahlungen

Nachdem die ersten Raten gezahlt worden sind, einige Telefonate und simpelste Dateien mit Keywordlisten gesendet worden sind, kommt das grosse Aufwachen beim Shopbetreiber erst nach vielen Monaten. Es ist nahezu immer der gleiche Ablauf: Der Auftraggeber fragt nach, warum denn nun kein Mehrumsatz kommt. Es hat sich trotz der Ratenzahlungen nichts verändert. Wieder werden keyword-Listen gesendet, SEO-Berichte mit guten Grafikverläufen und vieles mehr. Beruhigende Telefonate mit aufwendigen Erklärungen finden statt.

In der Akte hat man den Eindruck, als ob der Kunde aufgrund der vielen Kontakte und Fachbegriffe, die er dabei hört, aufgibt weiter nachzufragen. In vielen Fällen behauptet der Dienstleister auch, dass es ein reiner Dienstleistungsvertrag sei und kein Werkvertrag. Leistungen müssten nicht dokumentiert werden.

Wieder zahlt der Auftraggeber weiter monatliche Raten bis es irgendwann zu viel wird und die Zahlungen an den Dienstleister eingestellt werden. Dann erfolgt die Mahnung durch die Agentur und wieder die Darstellung, dass die keywords doch überwacht wären und die Leistung erbracht wäre. Jetzt müsse auch die Zahlung geleistet werden. Stundenzettel und Arbeitsnachweise werden scheinbar vorgelegt. Schaut man diese sich genau an, fehlt meistens eine konkrete handwerkliche Leistung.

Gerichtlicher Vergleich aus Angst vor Gutachter-Kosten

Dann kommen Mahnungen, Rechtsanwaltsschreiben, Klage. Vor Gericht wird im aufwendigen Marketingdeutsch die Dienstleistung beschrieben und das Sachverständigen-Gutachten vom Dienstleister gefordert. Das ist mit weiteren Kosten für den Shopbetreiber verbunden. 

Und was macht der Auftraggeber? Er schliesst einen Vergleich. Das Gericht beendet das Verfahren. Der Dienstleister erhält meistens eine erhebliche Summe und niemand hat fachlich, technisch und inhaltlich, einmal die Leistung wirklich geprüft. Oft sind die Rechtsanwälte der Beklagten auch froh darüber, liesst man zwischen den Zeilen und es kommt ungewöhnlich schnell zu einem solchem Vergleich.

Der Sachverständige prüft die SEO-Dienstleistung

Wenn dann doch ein Shopbetreiber so mutig ist und das Gutachten vor Gericht beauftragen möchte, ist häufig in der Fragestellung an mich als Sachverständiger bereits zu erkennen, dass weder das Gericht noch die Rechtsanwälte der Parteien wissen, worum es wirklich technisch und inhaltlich geht.

Oft sind die Fragestellungen an den Gutachter extrem pauschalisiert und meistens geht es darum, dass im Kern ich als Sachverständiger dem Gericht das gesamte Online-Marketing inkl. technischer SEO-Leistungen erklären muss, weil Grundzüge an Wissen dazu kaum vorhanden sind. Das macht sich oft der Dienstleister in seiner Argumentation zu nutze. Und bei konkreten Fragestellungen an den Sachverständigen ist nicht viel Raum für lange Erklärungen, neben der fehlenden Zulässigkeit bei der Abweichung vom eigentlichen Beweisbeschluss. 

Dabei sind die Mängel dieser Verträge und Leistungen nahezu identisch, weil die durchgeführten Leistungen nicht wirklich geprüft werden und der Vertrag an sich schon im Angebot und der nicht vorhandenen echten Leistungsbeschreibung scheiterte.

Mängel in SEO-Verträgen und Ausführungen

Schaue ich mir die vorliegenden Fälle der letzten Monate an, sind die Punkte, bei denen im Verfahren angesetzt werden muss, nahezu überall identisch und passend:

Vertragsunterlagen pauschal

In den Vertragsunterlagen wird stark pauschalisiert und konkrete Leistungen werden nicht beschrieben. Es fehlen Stundensatzangaben oder sind versteckt, die Anzahl der zu erstellenden Texte mit Wortanzahl fehlt. Der Gesamtaufwand in Zeit wird nicht festgelegt. Es fehlt insgesamt an einer geeigneten konkreten Leistungsbeschreibung ausserhalb das Marketing-Deutsch, das häufig massiv offensiv eingesetzt wird.

Rechnungen intransparent

Erstellte Monatsabrechnungen enthalten nicht durchgeführte Leistungen. Stundenzettel, wie bei Handwerkern üblich, fehlen. 

Leistungserbringung durch Dritt-Dienstleister

Vertraglich sind die Auftragnehmer häufig verpflichtet, die Dienstleistung höchstpersönlich zu erbringen. In der Praxis ist das oft nicht der Fall. Es werden Subauftragnehmer oder Freiberufler eingesetzt, die oft auch mangelnde Qualität erbringen oder schlicht nicht mehr erreichbar sind.

Keyword-Überwachung erhöht den Aufwand

Viele Dienstleister retten sich mit keyword-Listen, die aufwendig erstellt worden sein sollen. Dabei werden dafür automatische Tools genutzt. Der Wert solcher keyword-Positionen ist in den meisten Fällen fragwürdig, da nur eine begrenzte Anzahl von keywords überhaupt angezeigt wird, Suchvolumen oft fehlen und vor allen Dingen die Konsequenz aus der Liste nicht in praktische ständige Optimierungsarbeit umgesetzt worden ist, wie es häufig aber vertraglich vereinbart wurde.

Backlink-Analyse ohne Massnahmen

Eine Backlink-Analyse, die keine Massnahmen zur Folge hat, ist für den Shopbetreiber ziemlich wertlos. Entweder muss das Backlinkprofil aufgeräumt werden oder schwache Profile mit wertvollen Backlinks angereichert werden. Nur ein Analyse-Bericht hat zur Folge, dass der Aufwand zwar aufgebläht wird, es aber tatsächlich eine wertlose Erkenntnis für den Seitenbetreiber ist.

Kaum technische Änderungen

Echtes OnSite-SEO in Webshops erfordert oft auch massive technische Anpassungen am Shopsystem, Template und Modulen. Schaut man sich die Akten an, die mir vorgelegt werden, ist eine solche Anpassung oft allein aufgrund fehlender Systemkenntnis gar nicht durchgeführt worden. Oder ur-alte Systeme ohne Updates sollen angepasst worden sein. Das ist fachlich nicht zu vertreten.

Erfolg bleibt aus

Technische und inhaltliche SEO-Massnahmen werden beauftragt, um eine Seite sichtbarer zu machen. Das ist auch regelmässig der Fall, wenn die Massnahmen tatsächlich auch fachlich richtig durchgeführt werden. Die meisten der mir vorgetragenen Fälle haben schwache Sichtbarkeits-Ausgangspositionen. Schon geringe richtige Massnahmen haben dort schon massive Sichtbarkeitserfolge. Aber alle Fälle haben gemein, dass eben diese Massnahmen gar nicht ausgeführt worden sind oder grundlegendes technisches SEO-Verständnis der Dienstleister fehlt.

 

In der praktischen Untersuchung stelle ich dann meistens fest, dass SEO-Grundsätze verletzt werden. So werden Texte zwar oft angefertigt, aber nicht so verwendet, dass diese auch eine Wirkung erzielen können. Longtail-keywords werden vollständig missachtet, ebenso werden Wortanzahl und Platzierung von Texten falsch eingesetzt, Analysen haben keine Folgen, grafische Ausschnitte werden bewusst reduziert in vorteilhafte Zeiträume für den Dienstleister und vieles mehr.

Unternehmensprofil als Kostenfaktor

Das Google Unternehmensprofil (früher Google MyBusiness Eintrag) kann jeder Laie schnell erstellen. In jedem 2. Vertrag, den ich prüfe hinsichtlich fachlichem Inhalt, wird diese Profilerstellung bei Google Vertragsbestandteil und mit vielen Arbeitsstunden oder hohen 4-stelligen Summen abgerechnet. In der Praxis wird die Erstellung - auch durch einen Laien - kaum mehr als 1-2 Arbeitsstunden dauern.

Bewertung

Im Ergebnis kann zwar der Dienstleister behaupten, dass Leistungen durchgeführt worden sind. Das Ergebnis ist aber aufgrund mangelhafter Qualität der Arbeiten schlicht nutzlos für den Kunden. Dennoch lassen sich viele Geschädigte durch lange Vorträge der Dienstleister darüber täuschen, welche Leistung wirklich durchgeführt worden ist.

Gemeinsam haben alle diese Online-Marketing-Agenturen, dass sie im Gegensatz zu reinen Digitalagenturen, extrem werbewirksam auf die Kunden zugehen und die Abläufe meistens identisch sind. Die Margen in diesen Verträgen sind sehr hoch und oft wird nur in der ersten Phase des Vertrags überhaupt eine konkrete Leistung versucht, zu erbringen. Danach werden nur noch Rechnungen gestellt und simple Reports hin- und hergesendet. Eine ständige intensive Betreuung findet gar nicht statt, was jedoch mit Telefonaten und Video-Meetings verschleiert werden soll. Der Kunde wird in Sicherheit gewogen, um weiter monatlich abzukassieren. Fachleute werden nicht mehr eingesetzt.

Es wäre wünschenswert, wenn Arbeitszettel und Leistungsbeschreibungen in solchen Online-Marketing-Verträgen zum Standard gehören würden, wie diese jeder Handwerker heute erbringt. So kann sich der Kunde transparent orientieren, was tatsächlich durchgeführt worden ist und kann die Leistung auch prüfen. Gleichfalls würde es den Streitparteien und Gerichten leichter fallen, Vertrag und Leistung zu bewerten. 

Ebenso sollten die Gerichte sich vorangegangene Verfahren ansehen. Die Online-Marketing-Agenturen klagen so lange ihre Zahlungen vor einem bestimmten Gericht ein, das in den AGB meistens auch vereinbart ist, bis diese vor diesem Gericht unterliegen. Danach werden die AGB angepasst oder der Sitz der Gesellschaft verändert und es geht weiter vor einem anderen Gericht. Die Agenturen nutzen die Angst der Kunden vor den Gutachterkosten sowie die Unkenntnis der diese vertretenden Rechtsanwälte und können unbesorgt weiter Druck auf den Vertragspartner ausüben.

Es drängt sich jedoch der naheliegende Verdacht auf, dass genau diese gesamte Intransparenz der Online-Marketing-Agenturen gewünscht ist in diesem Markt, um nicht-erbrachte Leistungen zu verschleiern und die hohen Margen in den Verträgen zu halten. Man macht Umsatz mit massiver Unkenntnis von Shopbetreibern. Es gibt weder Meisterzwang noch einen Berufsordnung für solche Online-Marketing-Dienstleister, die eine Qualität der Ausbildung und der zu erbringenden Leistungen auch einigermassen sicherstellen könnte.

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